Verkehrsnetze in Europa: wichtig aber verzögert und zu teuer

Der Europäische Rechnungshof prüfte und die Europäische Kommission dementierte.

Die Verkehrspolitik der EU hat, ganz grob gesagt, den Sinn, einen grenzüberschreitenden Verkehr auf Straße, Schiene, Wasser oder in der Luft zu verbessern oder zu ermöglichen. Dem stehen natürlich viele Hindernisse im Weg, natürlich gewachsene unterschiedliche Strukturen in den Nationalstaaten machen dieses Ziel schwierig. Die 9 Kernnetzkorridore, die das gesamte EU Gebiet umspannen und durchkreuzen sollen hier federführend ausgeführt und neu-bzw. ausgebaut werden. Das erklärte Ziel ist, bis 2030 das EU-Kernverkehrsnetz fertigzustellen. Am Beispiel des Brenner-Basis-Tunnel kann man erkennen, dass dieses Ziel wohl nicht zu erreichen sein wird. Ich hab mir mal den Bericht des Europäischen Rechnungshofes angesehen über EU-Verkehrsinfrastrukturen aus dem Jahr 2020. Da wurden 8 TFI (Transport flagship infrastructures) mit grenzüberschreitenden Auswirkungen aus 7 der insgesamt 9 Kernnetzkorridore ausgewählt und geprüft. Gesamtkosten 54 Milliarden Euro. Die Erkenntnisse sind leider, gelinde gesagt, ernüchternd. Bis 2030 werden die Projekte nicht fertiggestellt werden. Die Verkehrsprognosen, die den Planungen zugrunde liegen, sind nach Meinung des Hofes viel zu optimistisch. Überhaupt sind die Planungen zu hinterfragen. Die ursprünglich berechneten Kosten wurden um 47%!!!, um 17,3 Milliarden Euro  überschritten, und man beachte, die Projekte sind noch nicht fertiggestellt und die Zahlen resultieren aus 2019, das Ende der Kostensteigerungen wird noch nicht erreicht sein! Und dann der Zeitfaktor: die durchschnittliche Verzögerung der Fertigstellung und Inbetriebnahme liegt bei 11 Jahren, und da sind die Anschlussstrecken noch gar nicht inkludiert. Die Verzögerung beim Brenner Basis Tunnel, und man beachte wieder, dass der Bericht erst 2020 verfasst wurde und die neuesten Entwicklungen bezüglich der Baulose und weiterer Verzögerungen durch Kündigung des Vertrages zwischen der BBT-Projektgesellschaft und dem Konsortium unter Führung der Porr Ende Oktober 2020 hier noch nicht berücksichtigt ist. Auf Grund dessen wurden die Arbeit am Abschnitt Pfons Brenner eingestellt und sollen erst im Herbst 2021 wieder aufgenommen werden. Weitere Verzögerungen um mindestens 1 Jahr, also insgesamt um 13 Jahre. Zusätzlich wurde der Europäischen Kommission zu wenig Einflussnahme und zu wenig durchschlagskräftige Kontrolle konstatiert. In einigen Fällen gab es „suboptimale Verwendung von EU Mitteln“ sowie „Verschwendung von Co-Finanzierungsmitteln“. Traurig. Wieder einmal sind wichtige Geldmittel nicht gut eingesetzt worden und die Kommission hat leider wieder einmal ihre Kontrollaufgabe nicht hinreichend erfüllt. Natürlich verwehrt sich die Europäische Kommission gegen derartige „Unterstellungen“ des Rechnungshofes, aber als langjährige Kennerin der Praxis in der Haushaltskontrolle kann ich sagen, dies ist kein Einzelfall und im schlechtesten Fall wird nach der Vorstellung des Berichtes im Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlaments dieser schubladisiert und die weitere Ver(sch)wendung der europäischen Mittel billigend in Kauf genommen. Leider. Als Europäerin kann und will ich das nicht einsehen. Die Bemühungen, die EU näher zu den Menschen zu bringen, die gerade wieder im Gange sind (und die ich sehr begrüße), müssten meiner Meinung nach auch oder vor allem solche Themen aufgreifen und sie einer positiven Lösung zuführen. Das darf nicht zu viel verlangt sein. Den  wir alle wollen und brauchen einen einheitlichen Europäischen Verkehrsraum, ohne Hindernisse an Grenzen oder in der Infrastruktur. Und je sauberer in beiden Sinnen unsere Lösungen sind, desto besser für uns, für unsere Umwelt und unser Europa.

 

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